Köstlicher Jux mit Gewalt, Sex and Crime

Deutsche Erstaufführungen in Kaiserslautern: Pfalztheater zeigt zeitgenössische Operneinakter von Knut Vaage und Camille Kerger


Von Gabor Halasz


Zwei absolute Neuheiten für unsere Region von hierzulande (noch?) weniger bekannten Komponisten sind jetzt mit großem Premierenerfolg in Kaiserslautern vorgestellt worden. Die Rede ist von den deutschen Erstaufführungen in Koproduktion mit dem Théatre National du Luxembourg der beiden zeitgenössischen Einakter „Da kommt noch wer“ vom norwegischen Tonsetzer Knut Vaage und „Ein Mond aus kochender Milch“ seines luxemburgischen Kollegen Camille Kerger auf der Werkstattbühne des Pfalztheaters.Ungeachtet der Übereinstimmungen in der dramaturgischen Anlage unterscheiden sich die beiden Stücke drastisch voneinander. Vaages Musik beschwört mit zwingender Intensität eine geheimnisvolle Atmosphäre der Bedrohung und nahenden Unheils. Sie lebt in erster Linie vom Klang, der stellenweise frappanten Vielfalt der Tonschattierungen und Farbvaleurs, die der Komponist seinem sparsam besetzten Kammerensemble zu entlocken verstand. Dessen Instrumentarium: Flöte/Bassflöte, Klarinette/Bassklarinette, Fagott/Kontrafagott, Viola, Cello und Kontrabass, flankiert durch ein abwechslungsreich behandeltes modernes Schlagzeugarsenal mit aparten und mitunter gewaltigen Wirkungen. Seine Partitur weist Vaage als Meister der Instrumentierung aus. Er arbeitete gezielt mit Verfremdungen und unkonventionellen Spielpraktiken, die er, wie bereits angedeutet, stets fantasievoll eingesetzt hatte. Die bevorzugten Techniken: Glissando (kontinuierlich gleitende Veränderung der Tonhöhe), sul ponticello (eng am Steg produzierte geschärfte Streichertöne), aggressive Tremoli, Geräuschklänge (etwa tonlos angeblasener Instrumente).Auffallend war außerdem die Vorliebe des Komponisten für hartnäckige Wiederholungen und obsessiv anmutende Ostinato-Effekte (mit denen er allerdings auch etwas sparsamer hätte umgehen können). Die Gesangspartien wurden überwiegend deklamierend konzipiert, freilich immer wieder mit melodischen Aufschwüngen.


Vaages Tonsprache ist (zumindest in diesem Stück) nicht radikal avantgardistisch, sucht eher die Kontinuität der Tradition aufrecht zu erhalten. Andererseits fesselt seine Kammeroper durch mitunter bohrende Intensität der Klangrede, durch Ausbrüche, bei denen das Orchester gleichsam außer sich agiert. Kurz: Das Stück hat seine ganz dichte, unverwechselbare Aura, ist spannendes Musiktheater.


Ganz andere Absichten verfolgte dagegen Camille Kerger. „Ein Mond aus kochender Milch“ ist eine aufgedrehte Groteske, ein Stück absurdes Musiktheater. Über die Bühne ging ein wüstes Spiel dreier Personen im Dauerclinch mit wechselnden Allianzen, in dem Gewalt, Sex und Crime übermütig auf den Arm genommen wurden, mit gelegentlich recht geistreichen Apercus.


Amüsant war also die Geschichte allemal – allerdings ein musikalisches Leichtgewicht, bei dem Klavier, Synthesizer und das bereits erwähnte kräftige Schlagzeugarsenal lärmenden Beitrag leisteten zum heftigen Bühnengeschehen. Wobei die satirische Orientierung schon durch das einleitende Zitat aus der Wahnsinnszene von Donizettis „Lucia von Lammermoor“ klargestellt wurde. Von Wahnsinn handelte das Stück mit Sicherheit.


Beide Werke erfuhren vorzügliche Wiedergabe durch ein Kammerensemble unter Markus Bieringers umsichtiger Stabführung. Ausgesprochen elegant geriet der szenische Teil. Bruno Berger-Gorskis Regie war dynamisch, bewegt, entfaltete das Kammerspiel einfallsreich und detailfreudig. Das Bühnengeschehen hatte Tempo, wurde kontinuierlich belebt. Die vier Darsteller Richard Morrison und Daniel Kim (in beiden Stücken als der Mann beziehungsweise der Dritte) sowie Monika Teepe in „Da kommt noch wer“ und Barbara Meszaros in „Ein Mond aus kochender Milch“ profilierten sich als gewandte singende und sprechende Schauspieler.


Optisch attraktive Umgebung zur Inszenierung bildete Thomas Dörflers Ausstattung mit einem dreieckigen Podest als Hauptspielrahmen vor einem durchsichtigen Rundvorhang, hinter dem die Musiker Platz fanden, sowie ansprechenden Farb- und Lichtwirkungen und Projektionen bei „Da kommt noch wer“.

 

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