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Türen und Sardinen
Pfalztheater zeigt Frayns „Der nackte Wahnsinn“
Von Susanne Schütz
Michael Frayns Farce „Der nackte Wahnsinn“ von 1982 (englisch: „Noises Off“) gilt als lustigstes Stück der jüngeren Theatergeschichte. Um aus diesem urkomischen Kommentar auf die Untiefen des Boulevardtheaters mehr als nur selbst eine Boulevardkomödie zu machen, braucht es höchste Präzision, Tempo und Spielfreude: In der Pfalztheater-Premiere löste das Ensemble diese Aufgabe unter der Regie von Marcelo Diaz exzellent.„Wir alle fürchten uns davor zu versagen“, erklärt sich Michael Frayn den anhaltenden Erfolg seiner Komödie über eine drittklassige Theatertruppe, die sich während einer Tournee von Klitsche zu Klitsche zusehends in ihrem billigen Stoff verheddert. Es mag auch der Spaß an Panik und Chaos sein. Schadenfreude natürlich. Und – das wurde in Kaiserslautern schön deutlich: Das Stück unterhält schlicht durch seinen Hochgeschwindigkeits-Slapstick, der exakten Körpereinsatz erfordert. Da ist der absurde Inhalt fast egal, lacht man auch über die banalste Trotteligkeit. Und bewundert die schwerst geforderten Darsteller. Was auch zeigt: Nicht immer ist bei Theater der Text wichtig.Gerade in Großbritannien ist derzeit ein Trend zur Körperlichkeit zu spüren: „Physical theatre“ mit Tanz, Akrobatik, ausgefeilten Gruppenchoreografien ist der neueste Schrei. Insofern ist die ebenfalls sehr physische Kaiserslauterer Produktion auf der Höhe der Zeit.
Der Bühnenautor und Romancier Michael Frayn, kürzlich 80 geworden, hat eigene Erlebnisse verarbeitet, schrieb er doch zunächst Theaterkritiken und musste einige schäbige Produktionen erleben. Andererseits trieb ihn die Bewunderung für die Mühsal hinter den Kulissen an: Die Idee zu „Der nackte Wahnsinn“ kam ihm, als er einmal hinter der Bühne beobachtete, wie sich die zwei Darsteller seiner Komödie „Two Of Us“, die je fünf Rollen zu spielen hatten, zwischen den Szenen abhetzten.
„Der nackte Wahnsinn“ zeigt nun als Dreiakter eine abgehalfterte Theatertruppe in drei Stadien des Zerfalls: zunächst bei der Probe einer Komödie mit vielen schlagenden Türen und etlichen Tellern voller Sardinen als Requisite – nur wenig klappt, man müht sich mit den Einsätzen, den Sardinen und dem Text. Der zweite Akt spielt einen Monat später und zeigt die Vorgänge hinter der Bühne während eines aus dem Ruder laufenden Auftritts in der Provinz: Das wahre Leben kommt der „Kunst“ in die Quere, steht doch der Regisseur zwischen zwei Frauen und eine Schauspielerin zwischen zwei Männern. Und zum Finale wird das Publikum Zeuge einer der letzten Vorstellungen, bei der nahezu nichts mehr funktioniert, aber sich doch so manches fügt.
Einen feinst einstudierten Tanz im drehbaren, OpArt-Bühnenbild (Thomas Dörfler) verordnet Regisseur Marcelo Diaz dem blendend aufgelegten Pfalztheater-Ensemble da. Der gebürtige Argentinier, versiert als Regiedozent (Zürich, Valencia), fordert die Darsteller gar turnerisch – insbesondere Dominique Bals als im plötzlichen Purzelbaumschlagen ungemein talentierter Dussel. Doch begeistern alle Darsteller: Jan Henning Kraus als stets kritisch nachfragender, unglücklich Verliebter; Hannelore Bähr als Angebetete, so vergesslich wie resolut; Annalena Loretta Müller als ständig ihre Kontaktlinsen verlierende, aber stoisch am Text klebende Schönheit; Barbara Seeliger als Ruhestifterin; Elif Esmen als schüchterne Regieassistentin; Oliver Burkia als gehetztes Mädchen für alles; Thomas Kollhoff als dem Whisky zugetaner Einbrecher und erstmals am Pfalztheater: Christian Higer aus Salzburg als Checker-Regisseur in Lederjacke, Cowboystiefeln und obligatem Wichtigtuerschal (Kostüme: Marcel Zaba). Abgesehen von ein paar Abstrichen zu Beginn, als die Farce etwas schwer in Gang kommt: selten so herzlich gelacht.
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