DIE RHEINPFALZ — NR. 21         MONTAG, 26. JANUAR 2009

 

Glück(s)-Los

Zemlinskys Oper „Der König Kandaules“ am Pfalztheater in Kaiserslautern – Ein (noch) unbekanntes Meisterwerk des 20. Jahrhunderts

Das Pfalztheater in Kaiserslautern
ist derzeit die Bühne im Südwesten
Deutschlands, die sich am stärksten
für die vergessene Musik aus
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
einsetzt. Das ist vor allem Generalmusikdirektor
Uwe Sandner
zu verdanken, der auch seinen Anteil
am Erfolg der jüngsten Entdeckung
hat: „Der König Kandaules“
von Alexander von Zemlinsky.
Doch die Premiere war am Samstagabend
in der Regie von Henry Arnold
ebenso ein szenischer Erfolg.

Welch eine Musik! Der dritte Akt
von Zemlinskys „Der König Kandaules“
gehört zum Großartigsten, was
die Geschichte des Zauber-Kunstwerks
Oper hervorgebracht hat. Packend,
spannend, nervenaufreibend,
Expressionismus in Reinkultur. ...

... Man muss dies mit so viel Emphase,
so viel Engagement, so viel expressiver
Gewalt und Wucht spielen,
wie es das Pfalztheater-Orchester
am Samstag unter seinem Chef Uwe
Sandner getan hat. Das kann dann
für die Sänger schon einmal zur Herkulesaufgabe
werden. Aber Sandner
spürt zugleich den ständig variierten
Leitmotiven nach, die die Partitur zusammenhalten,
lässt uns hörend
nachvollziehen, wie diese erstaunliche
Musik aufgebaut ist. Und wenn
dann noch die drei Hauptpartien so
besetzt sind, wie in Kaiserslautern,
nämlich mit Douglas Nasrawi (Kandaules),
Thomas de Vries (Gyges)
und Valérie Suty (Nyssia), dann steht
dem Zemlinsky-Glück nichts mehr
im Wege.
Womit wir denn auch schon bei
der Inszenierung von Henry Arnold
wären. Die stellt nämlich die Frage:
„Was eigentlich ist Glück?“ Und sie
kommt zu keinem guten Ergebnis.
Denn das, was wir sehen, ist ein
Traum, der böse endet. Ein Alptraum,
der Wirklichkeit wird. Schon zu Beginn
sehen wir, wie Gyges den König
ermordet. Die Schlussszene wiederholt
es nur noch einmal. Dazwischen
spielt das Drama im Kopf eines Menschen,
der sein Glück sprichwörtlich
nicht fassen kann, der es austeilen,
verteilen, öffentlich machen muss,
um sicher zu sein, dass es da ist. Dr.
Freud hätte seine Freude an solch
kruden Männerphantasien: Da weiß
einer erst dann, wie schön seine Frau
ist, wenn er sie einem anderen nackt
gezeigt hat, wenn er sie diesem quasi
wie auf dem Präsentierteller angeboten
hat. Die Regie deutet dies nur an,
aber auch so dampft und schwitzt
die schwüle Jahrhundertwende-Atmosphäre
aus jeder Ritze des Bühnenbildes
von Thomas Dörfler, das
wie eine riesige Liebesgrotte aussieht.
Man betritt diese, die auch die
Königsburg ist, durch ein gewaltiges
Tor, die Rückwand bildet ein Vorhang,
der im finalen Akt zunächst
nur mehrere Löcher aufweist,
schließlich ganz heruntergerissen
wird. Kandaules wollte seine Frau teilen
mit Gyges. Daran geht er selbst
zugrunde. Das Traumgebilde zerbricht
...
Viel Unterbewusstsein wird hier
vor allem musikalisch sichtbar gemacht.
Szenisch löst die Regie dies
durch Videofilme von Karl-Heinz
Christmann und durch die Doppelung
des singenden Personals durch
Balletttänzer (Choreographie: Stefano
Giannetti). Dies hilft, die Unmittelbarkeit
des Geschehens zu brechen,
es zugleich in eine zeitlose Gegenwart
zu transferieren. Wir sehen
eine dekadente, abstoßend wirkende
Hofgesellschaft (aus dem großen
Ensemble muss noch der von Bernd
Valentin gesungene Phedros erwähnt
werden) in Kostümen von Kathrin
Hauer, die aber eben nicht als
Sittenbild der Jahrhundertwende zu
verstehen ist.