Mozartfest: In Schwetzingen erlebt man einen vorzeigbaren "Don Giovanni" - der aus Kaiserslautern stammt
Die Welt ist bloß aus Packpapier
Von unserem Mitarbeiter Hans-Günter Fischer
Viel Feind', kaum Ehr' und nicht einmal Vergnügen: Ein Verführer hat es auch nicht immer leicht. Die Ironie ist ohnehin ein weites Feld in Mozarts "Don Giovanni", doch die Hauptpointe besteht wohl darin, dass der Lüstling bei den Frauen in der ganzen Oper nicht so recht zum Zuge kommt.
Mit seiner 1004. spanischen Eroberung tut er sich höllisch schwer, und er wird mehr und mehr zum bloßen Theoretiker der Liebe. Lässt er sich am Ende sogar freiwillig aus dem Verkehr ziehen, als letzter Recke des erotischen Prinzips? Die Welt bleibt matt und leer zurück, man kann nur noch ins Kloster gehen - oder wenigstens zum Abendessen. Thomas Krauß hat diesen Abgang Don Giovannis wenig theatralisch inszeniert. Der böse Held verlässt die Welt, das muss genügen.
Krauß ist Schauspielchef am Pfalztheater Kaiserslautern, die Premiere seiner ersten Opernarbeit war am 19. September. Während man beim Mozartfest in Schwetzingen im letzten Jahr mit der - wir sagen das ganz vorsichtig - nicht optimal geglückten Eigenproduktion "Cosí fan tutte" einiges riskierte, setzt man also diesmal auf die Hilfe anderer. Und doch ist diese "Don Giovanni"-Aufführung kein bloßes Gastspiel, bei der Konzeption der Bühne etwa hat man schon in Kaiserslautern an Schwetzingen gedacht.
Sie ist sehr schmal, verjüngt sich noch nach hinten zu. Der Clou ist allerdings das Material, mit dem sie Thomas Dörfler ausgekleidet hat: banales Packpapier. Die Wände und Fassaden dieser "Don Giovanni"-Welt sind also ziemlich durchlässig, auch wenn es sicher besser wäre, nicht so gründlich hinter sie zu schauen. Und betreten muss man sie zumeist mit einem lauten Ratsch! Dann schwebt etwa von oben, wo die Engel wohnen sollen, die zum personifizierten Unglück werdende Donna Elvira in den Raum. Und wirklich: Sie hat Flügel auf dem Rücken und in ihrer Hand etwas aus roter Langflorwolle, das die Hälfte ihres großen, nicht mehr ganz intakten Herzens sein könnte.
Ursula Beutler hat ihr dieses flauschige Kostüm spendiert. Die Aufführung hält die Balance aus Witz und Tragik, "Dramma" und "Giocoso" überraschend mühelos, mit viel Gespür für die schier unfassbar genau gesetzten Umschlagspunkte Mozarts und Da Pontes. Anfangs inszeniert der Regisseur ein wenig aus der Halbdistanz, doch später schaut er sich seine Figuren aus der Nähe an, und man erkennt bei Thomas Krauß durchaus die Führungsqualitäten eines Schauspiel-Spezialisten. Der im Zweifelsfall dem Komödiantischen den Vorzug gibt, in den Figuren einer sehr pragmatischen Zerlina (Arlette Meißner) und des Leporello (Morgan Moody), der sich schlitzohrig vom Diener zum Komplizen macht, für den vielleicht noch mehr als nur ein Stück gebratener Fasan abfällt...
Im Orchestergraben setzt Uwe Sandner alles mächtig unter Strom; die Bläser spielen auch durch Details der Sitzordnung eine starke Rolle. Das geht fast in Richtung "Originalklang".