„Lakmé" von Léo Delibes
Stefanie Braun | 24.01.2011
Exotisch, zärtlich und zu Unrecht völlig unbekannt. Léo Delibes' Oper „Lakmé" feierte am vergangenen Samstag im Trierer Theater eine durchweg gelungene Premiere.
In Frankreich bekannt und beliebt, in Deutschland leider eine Unbekannte. Doch Halt! Die meisten werden wenigstens einen Teil aus dieser wunderschönen Oper kennen: das Blumenduett. Denn gerade heute wird dieses vielfach genutzt, wie etwa für Filme à lá „Lara Croft - Tomb Raider" und „Begierde" mit Catherine Deneuve. Aber auch in der Werbung ist es uns schon mehrfach begegnet; in Deutschland zuletzt im Jahr 2007 - in der Werbung einer großen Automarke.
Doch nicht nur das Blumenduett ist hör- und sehenswert. Das Theater Trier bringt mit „Lakmé" wieder eine Produktion an den Start, die sich sehen lassen kann. Und zwar ordentlich. Nicht nur die Musik, unter der Leitung von Victor Puhl, ist bis zur letzten Note ein Genuß, auch die Geschichte ließ einige Damen im Publikum zum Taschentuch greifen.
Es geht um Lakmé, die Tochter des Hindupriesters Nilakantha, die selbst ein zölibatäres Priesteramt inne hat und den britischen Offizier Gérald - die beiden verlieben sich im Indien der Kolonialzeit ineinander. Gérald, der mit seiner Verlobten Ellen und seinem Freund Frédéric in Indien stationiert ist, verschafft sich Zugang zum verbotenen Tempelbereich, in dem Lakmé von der Außenwelt abgeschirmt lebt.
Liebe auf den ersten Blick
Um den Tempelschmuck für seine baldige Hochzeit zu kopieren bleibt Gérald allein zurück und trifft auf Lakmé. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Doch aufgrund ihrer kulturellen Unterschiede und des Zorns Nilakanthas, der seine Tochter nun als entehrt ansieht, können die beiden nicht zueinander finden. Lakmé wird von ihm verstoßen und muss sich als leichtes Mädchen auf den Märkten Indiens zurechtfinden. Gérald wird von Nilakantha und seinen Schergen in einen Hinterhalt gelockt und schwer verletzt. Lakmé muss sich gestehen, dass ihre Beziehung keine Chance hat. Ihre Liebe endet tragisch.
Das tragische Liebespaar Lakmé und Gérald, Foto: Theater Trier, Friedemann Vetter
Tragisch endete jedoch nicht die Premiere - was man vor allem an dem tosenden Beifall des Publikums und den gerührten Gesichtern sehen konnte. Besonders die beiden Hauptdarsteller, Adréana Kraschewski und Andreas Wagner, ernteten Beifall, Lob und sogar Blumensträuße, die man ihnen auf die Bühne warf. Sie überzeugten nicht nur stimmlich, sondern vor allem durch ihr zärtliches Spiel.
Die Geschichte und die Inszenierung sind allerdings nicht immer zartfühlend. So mussten manche Zuschauer hart schlucken, als die Themen Prostitution und Vergewaltigung aufgegriffen wurden und tapfere UN- Soldaten wegschauten angesichts des florierenden Mädchenhandels auf einem indischen Markt. Auch Lakmé, von ihrem Vater verstoßen, soll dieses Schicksal nicht erspart bleiben und so macht sich ein ungutes Gefühl in der Magengegend des Zuschauers breit.
Nicht immer zartfühlend
Ein besonderes Lob hier an die Damen der Statisterie und des Chors, die mehr als eindrucksvoll spielten. Ebenfalls besonders gelobt werden muss die Darstellung der Dienerin Mallika durch Claudia Denise Beck. In dieser Rolle zeigt sie ein breites schauspielerisches Können, dass mal tapfer, mal aufopfernd, mal zerbrechlich, mal verspielt ist, aber immer eines bleibt: Eine reife Leistung.
Einen schönen Kontrast dazu stellen Evelyn Czesla und Angela Pavonet, als Ellens Schwester Rose und Vera Ilieva (die Gouvernante) dar. Sie heben sich mit ihren Darstellungen der etwas zickigeren, britischen Damen stark von den exotischen, indischen Schönheiten ab. Doch auch von Seiten der Sänger gab es einige Darstellungen, die unter die Haut gingen - so zeigte Peter Koppelmann als Hadji ein gänzlich anderes Gesicht, welches Entsetzen im Publikum auslöste, als er vor der hilflosen Lakmé seinen Gürtel und seine Hose öffnete.
Andreas Wagner, als Gérald und Carlos Aquirre als Frédéric stellten hierzu mit britischer Kühle und anfänglicher Abgrenzung gegenüber dem indischen Volk wieder einen stimmigen Kontrast dar. Während sie stimmlich vom ersten Moment an glänzten, musste sich ihr Spiel erst entwickeln, doch besonders der verliebte Gérard fesselte die Zuschauer bis zum dramatischen Ende.
Gérard fesselte die Zuschauer
Auch das Bühnenbild, gestaltet von Thomas Dörfler, weiß mit Kontrasten und technischen Raffinessen umzugehen. So erinnert es an nachkriegsähnliche Zustände und beißt sich trotzdem nicht mit dem herabsinkenden Schleiertunnel und dem Blütenregen - beide Elemente verzauberten die Bühne genau im richtigen Moment. Da braucht es an manchen Stellen auch keine großen Projektionen mehr, die hinter dem Geschehen an die Wand geworfen werden - wobei sie im passenden Moment, wie dem berühmten Blumenduett, stimmungsvoll und unaufdringlich wirken.
Claudia Caséra beweist mit den Kostümen ein glückliches Händchen. Sie wirken nicht gezwungen modern, sondern zeigen ein großes Feingefühl für die kulturellen Unterschieden und die jeweiligen Situationen auf. So tragen die Kostüme einen großen Teil zum Entsetzen des Publikums bei, als die indischen Prostituierten blutverschmiert über die Bretter robben.
EIn glückliches Händchen bei den Kostümen
Last but not least muss Regisseur Bruno Berger-Gorski ein großes Lob für seine mutige, oft schonungslose und doch zauberhafte sowie zärtliche und romantische Inszenierung ausgesprochen werden. Selten ist eine Aufführung an allen Ecken so gelungen und vielseitig wie diese und selten verlässt das Publikum derart gerührt, betroffen und dennoch zufrieden den Saal.
Diese Oper ist nicht nur etwas für alteingesessene Opernfans, sondern auch etwas für Junge Leute, die sich an diese Welt noch nicht heran getraut haben. Bleibt nur noch zu raten, sich möglichst schnell eine Karte zu besorgen und sich von diesem Stück verzaubern zu lassen.
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