Ovationen für Reitmeiers Theatereröffnung mit „La Wally“
Mit der Tiroler Erstaufführung von Alfredo Catalanis im Ötztal angesiedelter Oper „La Wally“ eröffnete Johannes Reitmeier, von Ovationen belohnt, seine erste Landestheater-Spielzeit
Von Ursula Strohal
Innsbruck – Die wirkungsvoll gesetzte Tirol-Hommage am Beginn seiner Intendanz ist eine Geste, zeigt aber auch Johannes Reitmeiers Affinität zu wirkungsvollen Stoffen am Rande des Repertoires. Als Regisseur bleibt er in Alfredo Catalanis „La Wally“ im Sujet und ganz und gar in der Geschichte, fächert sie aber psychologisch auf. Das macht aus der in Luigi Illicas Libretto gemilderten, aber doch noch naturalistisch geschnitzten Heimatschnulze der Wilhelmine von Hillern einen veritablen Opernstoff. Reitmeier hörte Catalani sehr genau zu, der ein Meister der Atmosphäre, der seelischen Empfindung, der Stimmungsfarben ist, und hat die Fähigkeit zur theatralischen Umsetzung.
Wally, Tochter des reichen Bauern Stromminger in dem Tiroler Dorf Hochstoff, weigert sich, den Verwalter des väterlichen Guts, Gellner, zu heiraten. Sie liebt Giuseppe Hagenbach, einen Jäger aus dem benachbarten Sölden. Vom Vater verstoßen, zieht sie in die Berge und kehrt ein Jahr später als Alleinerbin zurück. Als Hagenbach sie öffentlich demütigt, verlangt sie von Gellner Hagenbachs Tod. In tiefer Reue rettet sie selbst den überlebenden Geliebten und zieht wieder in die Hütte inmitten der Eiswelt von Similaun und Marzell. Hagenbach erscheint, die Liebenden verzeihen einander, da wird Hagenbach von einer Lawine erfasst und auch Wally gibt ihr Leben.
Bühnenbildner Thomas Dörfler, von Reitmeier an den Inn geholt, gestaltet eine durch Struktur und Blautöne stilisierte Eiswelt, deren Wände eine hochgefährliche Hängebrücke verbindet. Die Drehbühne öffnet Schauplätze, darunter Strommingers Stube, in der der Alte aus seinen Gefühlsaufwallungen heraus waltet und Wally, die er sichtbar als Buben erzogen hat, verstößt. Wally, eigenwillig, mutig und frühemanzipiert, hat seine unkontrollierte Emotionalität geerbt und geht an der Übermacht ihrer widerstrebenden Gefühle und der Sehnsucht nach Reinheit – „O Schnee, du Tochter Gottes“, sagt sie – zugrunde. Gebrochen und überwältigt wirft sich diese Tochter des gefahrvollen Gebirges in Eiseseinsamkeit in den reinen Schnee (symbolisiert durch ein Federbett), phantasiert den Geliebten und gibt sich auf.
Die drei Saligen, Ötztaler Geistfräulein, ersetzt Reitmeier – wohl um einer Ahnfrau-Lächerlichkeit zu entgehen – durch Schiachperchten, die wie die Zottler den Winter verkörpern, aber auch Angst und Gefahr, die Bedrohung und Unheimlichkeit der Alpen im 19. Jahrhundert. Michael D. Zimmermann komplettiert das szenische Trio, das kommentar- und kitschfrei die verborgene Emotionalität der Figuren und der Dörfler freilegt. Sein geschmackvolle, historisch fundierte Kostümierung zeigt die sozialen ländlichen Schichten auf. Reitmeier bewegt das Volk gekonnt, auch in der Spiegelung durch den jungen, verspotteten Walter, der nur bei – der selbst mutterlosen – Wally Schutz findet und ihr ein echter Freund ist. Eine Figur wie von Felix Mitterer.
Alexander Rumpf führt das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, das in den letzten Wochen beim Klangspuren-Festival und dem Theaterfest mit neuer Präsenz und Klangsensibilität aufhorchen hat lassen, durch die hochfeinen, sensitiven und dramatisch aufwallenden Klangwelten Catalanis, der in Seelenlandschaften führt und sich dem Tirol-Klischee verweigert. Nur Walters Lied zitiert entfernt die Eigenheit des Jodlers.
Jennifer Maines, in der hochemotionalen Spätromantik mit ihren elegischen Melodien stimmlich ganz zu Hause, hat mit der Wally wieder eine ihrer ganz großen Partien, die sie mit Emphase und Strahlkraft erfüllt. Auch schauspielerisch bewältigt sie die anspruchsvolle Rolle mit Hingabe, ohne auszuufern. Ihr stämmiger Jäger Hagenbach ist Paulo Ferreira, der seine tenoralen Trümpfe technisch mit zu hohem – erpresstem – Preis bezahlt. Intensiv in seinem baritonalen Wohlklang und der Gestaltungskraft Bernd Valentins Gellner, ein Mann in verzweifelter Hörigkeit. Marc Kugel gibt einen verhärteten, dem Tode nahen Stromminger, bewegend und licht Sophie Mitterhubers Walter. Mit Melanie Lang (Afra) und Johannes Wimmer (Alter Soldat) zogen zwei schöne Stimmen am Rennweg ein. Sehr differenziert, manchmal fast liedhaft, der erstmals von Michel Roberge einstudierte Chor.
Triumphaler Einstand des neuen Intendanten
Das Opernglas
29. September 2012
W. Kutzschbach
…
Es war wohl der heute selten gewordene Glückstreffer einer optisch
und gesanglich perfekten Produktion aus einem Guss…
…Das Bühnenbild von Thomas Dörfler betonte mit hochreichenden Eiswänden die weiß-blau schimmernde
Gletscherwelt als Grundelement des Geschehens. Für die Innenszenen zeigte die Drehbühne realistisch den
spartanischen Wohnraum Strommingers sowie das Zimmer Wallys in Hochstoff als einfachen Bretterwandverschlag.
Die Szenenwechsel erfolgten mit auf den Takt genauer, voll der differenzierten Harmonik entsprechender Präzision…
Eiszeiten und Wärmebilder
Wie ernst Neuintendant Johannes Reitmeier sein Publikum nimmt, zeigt sich bereits in der Wahl der Saisonpremiere in Innsbruck: Eine Hommage an Tirol, der Schauplatz des Alpendramas keine neunzig Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Eine Welt, deren erhabene Schönheit, aber auch kristalline Härte den Menschen vertraut ist, wo vergleichbare Schicksale wie das der Geierwally noch erinnerbar sind. Welchen Glücksgriff das Landestheater mit Reitmeier auch als Regisseur gemacht hat, wird schnell ebenso ersichtlich wie der Grund, warum er auf seinen langjährigen Bühnenbildner Thomas Dörfler vertraut. Dörfler zählt zu Recht zu den besonders kreativen und intellektuell versierten Bühnenbildnern unserer Zeit. Bereits in Bayern und am Pfalztheater in Kaiserslautern sorgte die Zusammenarbeit der beiden für das, was sich nun auch Innsbruck erhoffen darf: Ausverkaufte Häuser und begeisterte Besucher. Gerade weil Reitmeier einen grundsätzlichen Respekt vor den Stücken empfindet, deren Schönheit und Tiefe hervorzuheben ihm das Anliegen ist, weil er den Zugang eröffnet und nicht mit oberflächlichen Aktualisierungen verstellt, weil er die Menschen verzaubern und berühren möchte, indem er die Geschichte erzählt und sich erzählen lässt, braucht und benutzt er die Magie der Bilder. Die verdichten, nicht die äußere oder innere Handlung überladen oder überwuchern. Selten sieht man ein so variables, künstlerisch ansprechendes und kommunikativ offenes Bühnenbild. Weil der Zuschauer eingeladen wird, mit seiner Phantasie Räume fortzuschreiben, seelische, soziale und landschaftliche. Alle Möglichkeiten der Drehbühne werden genutzt. Eine Raumaufteilung, die von einem Augenblick zum anderen in eine andere Welt führt. Die zumachen und bedrängen kann, die Seitenwege offenlässt, um dann Höhe und Weite, Drinnen und Draußen auch im Sinne der Identität und der Veräußerung anzuzeigen. So vielschichtig wie das Leben im Allgemeinen und die Liebe im Besonderen ist, so auch die Ebenen in diesem Bühnenbild. Dessen Metaphorik ist evident, wenn Treppen einmal Wally, dann Gellner obenauf sehen. Wände, die von Verbohrtheiten und Unbeweglichkeit erzählen. Mit einem eisblauen Horizont, der keinen Himmel offen lässt, der die Seinsverfügung des Individuums an seine natürlichen Grenzen führt. Kalt, eiskalt geht es zu, das Pandämonium des Volkes ist die Unerbittlichkeit, Hohn und Häme. Reitmeier gelingt es, jeden Eindruck eines cineastischen Déjà vu zu vermeiden, kein Heimatstück fürs Stadl wird gegeben, eher griechische Moira, die auf ihrem Recht besteht. Dennoch mitten im Eis Wärmebilder, die erzählen, wie es nicht ist, aber sein könnte. Das Bett im Eisfeld, das von einer anderen, tragisch Gescheiterten erzählt.
Die strengen und angemessenen Kostüme aus der Hand von Michael Zimmermann zeugen von Respekt und Ästhetik. Zimmermann widersteht der Versuchung der Volkstümelei und führt mit der Authentizität seiner Trachten in die Entstehungszeit der Oper. Die gehörnten Zottelgeister erinnern halb an Yeti, halb an Figuren aus der alemannischen Fasnet. Johann Kleinheinz setzt die Vorgaben Reitmeiers vorzüglich um, wenn er mit seinen Lichtspielen Psychogramme und Seelenlandschaften erstellt. Die Videoeinspielungen hat der Regisseur dem längst weit über die Pfalz hinaus gefragten Kaiserslauterer Karl-Heinz Christmann anvertraut. Aufnahmen von großer Naturschönheit und Suggestivkraft.
Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck ist von Alexander Rumpf meisterlich auf die Musik von Alfredo Catalani eingestellt. Wie schade, dass diese Oper so selten aufgeführt wird. Große Gefühle, die aus der Musik sprechen, Tragik und Zärtlichkeit. Man muss nicht wissen, wer die Oper geschrieben hat, um auf Anhieb den Italiener heraus zu hören. An diesem Abend darf Kapellmeister Vito Christofaro das Dirigat ausüben, mit gutem Erfolg. Der Chor, einstudiert von Michel Roberge, singt sehr harmonisch, die Ansprüche an Gesang und Spiel sind hoch und man spürt, wie begeistert sich die Frauen und Männer der Herausforderung stellen. Wer den Intendanten bei Proben erlebt, weiß, wie sehr er motivieren kann.
Zu einer Belcantooper gehören Belcantostimmen. Reitmeier findet sie. Vier Stimmen ragen aus einem insgesamt hohen Ansprüchen genügenden Ensemble hervor: Jennifer Maines entzückt das Publikum in der Titelrolle. Jede Geste sitzt, ihr Körper verstärkt mit seiner Haltung die Botschaften, eine Stimme, die auch latente Gefühle vermittelt. Technisch ausgereift, nuanciert, klangschön, von großem Umfang, dramatisch wie lyrisch. Bernd Valentin ein Gellner, dessen Obsession spürbar wird, der mit seiner Rolle verschmilzt, in dessen Seele man lesen kann, der über eine außergewöhnliche Klangfarbe und Ausdruckskraft seiner Baritonstimme verfügt. Bejubelt für ihre Hosenrolle wird Sopranistin Sophie Mittenhuber, die Walter, den omnipräsenten Schatten Wallys spielt und singt. So viel emotionale Kraft, die ihre schöne Stimme vermittelt. Paulo Ferreira glänzt als Hagenbach, sein kraftvoller Tenor verfügt über große Ausstrahlung und Weite. In den weiteren Rollen überzeugen Marc Kugel als Stromminger, mit dem Mut, ihn bärbeißig und abstoßend zu interpretieren, Melanie Lang als entzückende Afra, die man lieben könnte, sowie Johannes Wimmer als differenzierter Soldat.
Man weiß sich zu kleiden in Innsbruck. Das Publikum fein, das Haus ausverkauft, die Gespräche auf hohem Niveau und wohlwollend. Der Applaus brausend. Innsbruck weiß jetzt schon, dass eine neue Ära eingeläutet ist.
Frank Herkommer
INNSBRUCK: LA WALLY – Triumphaler Einstand für den neuen Intendanten. Premiere
Tiroler Landestheater Innsbruck: „LA WALLY“ 29.09. (Premiere) – Reitmeiers triumphaler Einstand
Imposante Szenerie – “La Wally” erstmals in Innsbruck. Foto: Rupert Larl
Fünfzehn Minuten tosender Publikumsjubel für ein Werk, das ausgerechnet nach Tirol seinen Weg erst nach 120 Jahren gefunden hat und jetzt seine mustergültige Rehabilitierung erfuhr. Das andächtig lauschende Auditorium war von Alfredo Catalanis hochemotionaler, stets mit einem Trauerflor umrankter Musik hingerissen.
In Jennifer Maines stand eine gesanglich und darstellerisch bedeutende Titelheldin auf der Bühne, die die eminent fordernde Partie mit Bravour meisterte. Mit Paulo Ferreira (Hagenbach) stand ihr ein junger Tenor mit glänzenden vokalen Mitteln und etwas gehemmter Bühnenpräsenz zur Seite. Bernd Valentins Gellner bestach mit prachtvollen vokalen Mitteln und leidenschaftlichem Spiel als von Wally abgewiesener Verehrer. Sophie Mitterhuber entzückte mit brillantem Sopran und berührte als von der Umwelt zum Außenseiter abgestempelter Walter. Melanie Lang war eine stimmlich und optisch reizvolle Afra, Marc Kugel (Wallys Vater) überzeugte als störrischer Alter und Johannes Wimmer gab dem zwielichtigen Soldaten prägnantes Profil.
Chor und Extrachor wurden vom neuen Chordirektor des Hauses, Michel Roberge, hervorragend auf die umfangreichen Einsätze vorbereitet. Das gelegentlich überbordend spielende Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der souveränen Stabführung von Alexander Rumpf brachte Catalanis orchestral hochstehendes Werk zur Wirkung, besonders die lautmalerischen Stimmungssequenzen wurden delikat erfasst.
Johannes Reitmeiers spannende und durchdachte Regie, Michael D.Zimmermanns authentische Kostüme, Thomas Dörflers überwältigende Bühnenbilder sowie Johann Kleinheinz geschickte Beleuchtung sorgten für eine großartige Realisation dieses nicht leicht auf die Bühne zu bringenden Werkes.
Fabelhafter hätte Reitmeiers Intendanten-Einstand nicht ausfallen können! Wer diese „Wally“ versäumt, verpasst etwas!
Dietmar Plattner
INNSBRUCK: LA WALLY
Innsbruck „LA WALLY“ am 2.11. (Premiere 29.9.) – Endlich zuhause angekommen!
Fragwürdigkeit der Rezeptionsgeschichte: seit der Uraufführung 1892 in Mailand sind sage und schreibe 120 Jahre vergangen bis Catalanis Oper nach dem mehrmals verfilmten Sujet des Romanes von Wilhelmine von Hillern die Heimat dieser teilweise wahren Begebenheit erreicht hat. Zu verdanken ist es Johannes Reitmeier, der von dem bisherigen Versäumnis in Kenntnis gesetzt, beschloss diese überfällige Premiere an den Beginn seiner Intendanz am Tiroler Landestheater zu setzen.
Was nun dort mit dem Bühnenbildner Thomas Dörfler, dem Kostümbildner Michael D.Zimmermann, dem Lichtgestalter Johann Kleinheinz und dem Video-Produzenten Karl Heinz Christmann auf die Bühne im wahrsten Sinne des Wortes an Stimmungsdichte und werkdienlich sinnvoller Verwandlungskunst gezaubert wurde, zeugt von einem Theaterteam, das sich als dankbarer Diener des Gesamtkunstwerkes Oper versteht und dieses leider mit vielen Klischees behaftete veristische Drama nicht als Alibi oder Spielball für eigenmächtige Bearbeitungen missbraucht, sondern seine ehrlich begeisterte Überzeugung spürbar macht. Das bedeutet wiederum keineswegs eine akribische Klammerung an die Anweisungen im Libretto, keine 1:1 Übersetzung. Einzelheiten der mit Hilfe der Drehbühne geschaffenen Bildwirkungen wurden bereits im Premierenbericht von Dietmar Plattner (Ausgabe 10/2012) beschrieben, so dass hier eine Konzentration auf die alternativen Besetzungen der Titelrolle sowie einer weiteren tragenden Partie erfolgt.
Susanna von der Burg, seit über 10 Jahren eine der vielfältigst eingesetzten Stützen des Ensembles, kann als Wally ihre Bühnenpräsenz vom ersten bis zum letzten Moment voll ausspielen und so die zentrale Funktion der reichen Gastwirtstochter restlos ausfüllen. Mit ihrem zwischen verinnerlicht schlichtem und emphatisch bewegtem Tonfall flexibel balancierenden Sopran vermag sie den Wandel von der hartherzig kalten, mannhaft unerschrockenen zur liebenden und aufopferungsvoll verzichtenden Frau aufs Publikum bewegend natürlich zu übertragen. Was ihr an mädchenhaft leichter Beweglichkeit abgeht, gleicht sie durch eine vokal vielfältige Modellierung aus, die aber klugerweise vor jeglicher Forcierung und Grenzüberschreitung halt macht. Am stärksten ist sie dort, wo sie in von warmen Herzenstönen getragenen Kantilenen, besonders in ihrem Rückzug in die Welt des Eises, in der letzten Euphorie der Vereinigung mit Giuseppe und im Angesicht des Todes gleichzeitig berührt und erschüttert.
Auf ähnliche Weise, im Bereich klarer strahlender Töne lyrischen Charakters und herzhaft aufgewecktem Spiel gewinnt Susanne Langbein als kindliche Lebendigkeit und Wehmut vereinender, Wally begleitender Freund Walter, die Sympathien des Publikums.
Einen so sicher in der Region unangenehm hoch notierter Passagen beheimateten und darüber hinaus zwischen ungestüm kräftigem und liebevoll sanfterem Tonansatz differenzierenden Tenor wie Paulo Ferreira zu finden, dürfte das Hauptproblem der Opernhäuser sein, dieses Werk anzusetzen und unterstreicht so auch das künstlerische Geschick der neuen Intendanz. Für die zarteren Phrasen dieser Partie ein noch etwas einschmeichelnderes Timbre zu wünschen, wäre da fast schon überheblicher Anspruch.
Ob Bernd Valentin, der dem Gegenspieler Gellner vollmundig explosives baritonales Profil gibt, Marc Kugel als patriarchalischer Stromminger mit entsprechend autoritär eingesetztem Bass, die in ihrer Festtagstracht attraktiv hervorstechende Melanie Lang als Afra mit durchsetzungsfähig klarem Mezzo oder der für den intriganten Landstreicher passend grobschlächtige Bass Johannes Wimmers – eine durch und durch stimmige Besetzung. Der lebhaft ins Spiel integrierte und ebenso motiviert klingende Chor des Tiroler Landestheaters (Einstudierung: Michel Roberge) trägt genauso wie das von Vito Cristofaro sehr aufmerksam geführte und den Feinheiten und raffiniert atmosphärischen Färbungen der Partitur Rechnung tragende Tiroler Symphonieorchester Innsbruck zur geschlossen faszinierenden Gestalt dieser Produktion bei. Dass diese heimgeholte Rarität dabei auch den verdienten Publikumserfolg mit laut Auskunft stets so gut wie ausverkauften Vorstellungen erfährt, rundet das Glück noch ab. Johannes Reitmeier ein großes Lob für diese Initiative und weiterhin viel Geschick!
Udo Klebes
Riesenjubel um La Wally
Der Auftakt von Landestheater-Intendant Johannes Reitmeier gelang mit Catalani-Oper fulminant.
Sie birgt schon einige Gefahren: Alfredo Catalanis Operndrama um die Geierwally, "La Wally", beinhaltet Klischees, Kitsch, spielt in Sölden und der dramatische Stoff mit zwei Opernleichen könnte durchaus für eine schmalzige Regie gut sein. Doch es kam am Samstag am Tiroler Landestheater ganz anders. Johannes Reitmeier sorgte mit seiner Regie für zweieinhalb sinnlich berauschende Opernstunden, das Premierenpublikum bedankte sich für diesen Einstand mit langem Applaus und großem Jubel.
Akribisch arbeitete Reitmeier die Charaktere der Protagonisten heraus, allen voran den der selbstbewussten wie selbstzerstörerischen Wally. Thomas Dörfler unterstützte dabei mit seiner in kaltem Blau gehaltenen Bühne die Regie genial und verstärkte dadurch zusätzlich die klamme Atmosphäre. Ein Fest für das Auge war die Ausstattung von Michael D. Zimmermann, der sich tief ins Metier der Tiroler Trachten um 1890 einarbeitete. Hagenbach schien optisch als Fremdkörper, weil als Jäger zu nobel.
Musikalisch sehr gut
Alexander Rumpf am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck legte den grandiosen Grundstein dieser Produktion. Catalanis Musik zeigt romantische Züge, dichte Orchesterpassagen und dramatische Stilistik. Diese setzte das TSOI zwischen Bläsern und Streichern ausbalanciert perfekt um, das akzentuierte Blech und die spannenden Tempi verliehen der Musik Charakter und Strahlkraft.
Jennifer Maines war ideal als "Wally" besetzt, ihr farbiger Mezzo und das ausdrucksstarke Schauspiel überzeugten restlos. Bernd Valentin sang den "Gellner" mit seinem fein abgestimmten Bariton, Sophie Mitterbauer ließ in der Hosenrolle des "Walter" keine Wünsche offen. Marc Kugel sang ohne Höhepunkt den alten "Stromminger", Melanie Lang ("Afra") und Johannes Wimmer ("Soldat") überzeugten im Ensemble. Paulo Ferreira als "Hagenbach" mühte seinen schlanken, strahlenden Tenor manchmal in die Höhe und weniger Timbre wäre mehr gewesen. Chor und Extrachor gelangen die heiklen Passagen exzellent.
Sieghard Krabichler