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Kritik "Der Diener zweier Herren"
Die Rheinpfalz
Ich esse, also bin ich
Harald Demmers Radau-Regie von Carlo Goldonis Komödie „Der Diener zweier Herren“ am Pfalztheater Kaiserslautern
Von Susanne Schütz
Die Geissens im Pfalztheater: Als pralle Comedy-Groteske mit allerlei Verweisen auf die Auswüchse des Privatfernsehens hat Harald Demmer Carlos Goldonis 1746 uraufgeführten Komödienrenner „Der Diener zweier Herren“ in Kaiserslautern inszeniert.Gleich zu Beginn rückt das verspielte Personal dem Zuschauer auf die Pelle: Schon draußen haut der Gastwirt in die Tasten, Dottore Lombardi begrüßt auf der Treppe und Sohn Silvio will in der Pause einen Teppich verhökern: Alles ist Spiel, überall, will Demmer suggerieren, der auch die Übersetzung von Niels-Peter Rudolph aus dem Jahr 1978 mit Zeitgenössischem wie „Du hast echt einen an der Waffel“ auffrischt.Die Verwechslungsgeschichte schließlich spielt in einem stilisiert-heutigen Venedig – die Bühne (Thomas Dörfler) ist als Marmor-Showtreppe mit grünweißroten Verblendungen in Pizzaschachteloptik gestaltet, die grellen Kostüme (Karin Fitz) sind dem Unterschichten-TV abgeschaut. Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist der immer hungrige Diener Truffaldino, der gleich bei zwei Herren anheuert, um seinen stattlichen Bauch füllen zu können: eine Paraderolle für Henning Kohne, der sich fast immer im Mai mit voller Kraft ins komödiantische Fach wirft, ob als Cyrano de Bergerac oder zuletzt als zum Esel mutierter Zettel. Nun also Truffaldino, eine Rolle, die aus der Harlekintradition der Commedia dell’arte stammt, die Carlo Goldoni neu interpretierte.
Dieser Truffaldino nun dient – mehr schlecht als recht – dem aus Turin geflohenen Florindo Aretusi (Jan Henning Kraus), der Federico Rasponi getötet haben soll, den Bruder seiner Geliebten Beatrice (Natalie Forester). Auch diese ist, verkleidet als ihr Bruder, in Venedig und Truffaldinos anderer Arbeitgeber. Beide steigen im gleichen Gasthaus ab, und Truffaldino versucht fortan, ein Aufeinandertreffen der beiden zu verhindern, damit sein Doppeljob ungefährdet bleibt.
Für weitere Verwirrung sorgt die Familie des Kaufmanns Pantalone: Tochter Clarice war Federico versprochen, will nach dessen Tod aber nun Silvio heiraten, den Sohn des Dottore Lombardi. Doch Beatrice taucht als Federico auf und fordert Clarices Hand: Die Mitgift ist ihr wichtig, denn sie ist klamm. Mit dem Geld Pantalones und Florindo will sie dann fliehen – in eine goldene Zukunft ausgerechnet in Zypern.
„Ich will meine Freiheit, mein Geld und meinen Florindo“, erläutert Beatrice zwischendurch den Plan: Wäre sie als Frau aufgetreten, hätte dies nie geklappt. „It’s a man’s world“… Damit ist allerdings auch schon der einzige bedingt ernsthafte Moment der Inszenierung vorbei, die anderen möglichen gesellschaftskritischen Themen belässt Demmer im Hintergrund: etwa die durchaus auch heutige Misere, dass ein Job allein nicht reicht, um sich über Wasser halten zu können, oder das Zusammenwirken von Bildung und Aufstiegschancen (Truffaldino wie auch die ihm zugetane Dienerin im Hause Pantalone kann nicht lesen). Und das Ausüben körperlicher Gewalt gegen seine Diener wird gar zum Running Gag.
Während Goldoni in seiner Interpretation der Commedia dell’arte statt auf Masken auf Menschen setzte, verlässt sich Regisseur Demmer doch lieber auf derbe Komik und Tempo. „Essen oder nicht essen, das ist hier die Frage“ darf Truffaldino kalauern, oder in verballhorntem Latein sein Mantra „ich esse, also bin ich“ vortragen: „Mango, ergo sum“.
Den äußerst spielfreudigen Rainer Furch alias Pantalone wiederum lässt die Regie als Trash-TV-Millionär Robert Geiss auftreten, der lieber Frikadellen als Acht-Gänge-Menüs mag und sich ungewollt Wortspiele mit dem stets in lateinischen Phrasen auftretenden Reinhard Karow als Dottore liefert. Annalena Loretta Müller als Clarice hat die undankbarere Aufgabe, sich als Katzenberger-Klon zu zeigen, während Oliver Burkia als Gastwirt Brighella den sich stets gern beugenden Masochisten gibt, und Daniel Mutlu als tumber Silvio irgendwo zwischen alten Mantawitzen und Atze Schröder angelegt ist. Doch ihm gestattet Harald Demmer auch Selbstreflexion: Mit den Worten „Ist doch alles nur Theater!“ darf Mutlu aus der Rolle fallen. So ganz geht dieses Radau-Rezept zwar nicht auf, zu lachen aber gibt es auf jeden Fall jede Menge.
Termine10., 14., 17., 22. Mai, 2., 15., 26. Juni, Großes Haus, Karten: 0631/3675-209
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